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Manifest des harmonischen Proletariats, Präambel
gitwork Offline
Barree-Künstler
*******

Beiträge: 474
Themen: 35
Registriert seit: Feb 2004
#52
 
@mjchael

schön dass du dich einschaltest, ich finde es klasse dass wir es geschafft haben freundschaftlich, und sachlich zu disskutieren

Im Grunde kann ich mich dem nur anschließen.

\"Theorie ist Mittel zum Zweck.\"

Und der Zweck ist Musik machen.


sehr schön ausgedrückt, darauf können wir uns einigen!

Das größte Problem ist, wie man Wissen richtig darstellt.
Gegen einige Sachen, die man während des 19. Jahunderts herausgefunden hat, gibt es im Grunde gar nichts auszusetzen.


Das Problem liegt etwas tiefer: Seit der Zeit des antiken Griechenland versuchen wir Europäer unsere Musik auch theoretisch in ein System zu bringen. Den Grundstein dazu legte Pythagoras als er seine Versuche mit dem Monochord machte. Pythagoras teilte eine Saite in verschieden lange Abschnitte und untersuchte das physikalische Phänomen der Obertonreihe. Jeder von uns kennt es: Am 12. Bund = halbe Saitenlänge können wir, wenn wir mit dem Finger ganz leicht die Saite berühren, den ersten Oberton=Oktave erzeugen. Am 7. Bund (1/3 Saitenlänge) die Quinte, am 5. Bund (1/4 Saitenlänge) die Oktave der Oktave. Diese drei ersten Obertöne geben uns den Rahmen, die Säulen auf denen unsere Musik aufbaut. Gerade die Quinte ist in der Musik der Antike und später des Mittelalters ein ganz entscheidendes Intervall und man achtete sehr darauf dieses Intervall so rein wie möglich zu stimmen und spielte Schlussakkorde immer nur mit Grundton-Quinte-Oktave, nie mit der Terz. (Das entspricht heute den Powerchords in der Rockmusik).

Wir kennen die Quinte auch als engstes verwandschaftliches Verhältnis und können im Quintenzirkel alle 12 Tonarten in eine Ordnung bringen - jedoch - nur mit großen Problemen und Kompromissen! Wenn man nämlich rein gestimmte Quinten aufeinander stellt, kommt man eben nicht nach 12 Quinten wieder beim gleichen Ton an, sondern um das ominöse \"pythagoreische Komma\" zu hoch heraus.

Die Physik passt sich nicht unserem theoretischen Tonsystem an, sie geht scheinbar chaotische, eigene Wege und machte damit Generationen von Musikwissenschaftlern und Musikern unerhörte Kopfschmerzen! Wie nah dieses Phänomen mit unserem praktischen Musizieren zusammenhängt kann jeder feststellen: probiert mal die Gitarre ohne Stimmgerät zu stimmen in dem ihr den E-Dur Akkord als Referenz nehmt und solange die Stimmung verbessert, bis ihr ganz zufrieden seid - dann greift mal C-Dur ...

Es ist unmöglich die Gitarre so zu stimmen, dass beide Akkorde \"rein\" klingen!! Die Erklärung ist folgende: C und E sind im Qintenzirkel relativ weit entfernt, sie sind nicht miteinander kompatibel, wenn wir die Quinten rein stimmen. Wenn z.B: die G-Saite im C-Dur Akkord super stimmt, ist das Gis in E-Dur garantiert falsch.

Dieses Dilemma führte die Musiker jahrhunderte lang zu verschiedensten Kompromisslösungen, so wurden z.B: problematische Intervalle komplett verboten, Cembali konstruiert, deren schwarze Tasten zweigeteilt waren, Lautinisten haben ihre Bünde je nach Tonart verschoben etc. p.p.

Zu guter letzt erfand Gott sei Dank Andreas Werkmeister 1691 die temperierte Stimmung, eine Kompromisslösung, bei der der \"Fehler\" gleichmässig verteilt wurde, somit alle Intervalle (bis auf die Oktave) falsch gestimmt werden (aber in ärträglichem Ausmaß).

Das war die Geburt des Quintenzirkels und Johann Sebastian Bach bewies mit seiner bahnbrechenden Komposition \"Das wohltemperierte Klavier\" als erster, dass Kompositionen in allen 24 Tonarten möglich sind.

Die Entwicklung der wohltemperierten Stimmung ist auch Grundlage der klassischen Harmonielehre. Diese Lehre der theoretischen Erklärung der Musik hinkte allerdings immer den aktuellen Kompositionen hinterher. Geniale Komponisten erfanden immerfort Unerhörtes und Neues, und brachen dabei eine Regel nach der anderen, die Theoretiker versuchten verzweifelt die Regeln anzupassen und führten eine Ausnahme nach der anderen ein. Soeben waren Quinten die sich parallel bewegen (wie beim Powerchord-schieben) unvorstellbar und eine Beleidigung des Ohrs, schon kommt ein Herr Mozart daher und zeigt dass man eben doch Quinten parallel führen kann. Die Theoretiker ziehn sich mit Bauchschmerzen zurück und schreiben eine theoretische Abhandlung über \"Mozartquinten\".

Die französische Revolution brachte der Musik eine Kulturrevolution. Alle komplizierten, kunstvollen poliphonen Werke wie etwa eines J.S. Bach wurden auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Im Zentrum stand nun die Melodie, die mit einfachen Akkorden begleitet wurde. Musik sollte allgemeinverständlich und populär sein. Kompliziertes, und reich verziertes wurde verachtet. Die Theoretiker hatten leichtes Spiel und konnten sich mit ihren Tonikas Dominanten und Subdominanten entspannt zurücklehnen.

Selbst grosse Musiker wie etwa Haydn (der Erfinder des Lieds der Deutschen) machte ihnen kein Kopfzerbrechen. Es dauerte indes nicht lange, da wurde den genialen Künstlern der Epoche der Rahmen zu eng und schon Mozart brachte grosse Schwierigkeiten für ihre Erklärungsmuster. Bei Beethoven wurde es dann endgültig kompliziert und immer kompliziertere Ausnahmeregelungen wurden nötig.

Der Supergau kam dann bei Richard Wagner. Mit seinem \"Tristanakkord\" der sich beim besten Willen nicht mehr in das Erklärungsmuster einfügen lies, sprengte Wagner die klassische Harmonielehre. Es wurden ganze Bücher über diesen einen Akkord verfasst um ihn mit der reinen Lehre in Übereinstimmung zu bringen - vergebens.

Eine grosse Orientierungslosigkeit und Verunsicherung erfasste die armen Theoretiker. Ihr ganzes schönes Gebäude war kopflastig und nutzlos geworden...
Zu ihrem Unglück traten dann auch noch Richard Strauss und Gustav Mahler auf den Plan und machten sie ganz irre.

Ein kompletter Neuanfang schien nötig zu werden.

Der lies nicht lang auf sich warten: Bei der pariser Weltausstellung 1867 hörte ein junger Franzose Namens Claude Debussy zum ersten mal ein Balinesisches Gamelanorchester. Er war fasziniert von dieser rhythmischen Musik, deren harmonisches Fundament sich ganz und gar nicht nach Akkordfunktionen ausrichtete, sondern wie ein Gewebe aus kleinen Motiven die auf einer Tonskala basierten, klang. Slendro und Pelog heissen diese Skalen, die der Pentatonik nicht unähnlich sind. Debussy entwickelte daraufhin eine völlig neue Kompositionstechnik, die sich überhaupt nicht mehr mit der klassischen Harmonielehre fassen lässt und als musikalischer Impressionismus bezeichnet werden kann.
Grundlage dafür sind nicht mehr Akkorde, sondern musikalische Gewebe, die skalenbezogen - melodischer Natur sind.

Etwas später Entwickelte Arnold Schönberg in Wien eine Methode bei der er alle 12 Töne unseres musikalischen Alphabets gleichberechtigt benutzen wollte, und die überkommenen Grenzen der Dur/Moll Harmonik gänzlich zu überwinden... nun - ich bin auch nie Fan davon geworden.

Interessant für uns ist nun, dass in der Entwicklung der Popularmusik ganz ähnliche Schwierigkeiten zu beobachten sind. Nehmen wir den Jazz:

Seine Wurzeln - Blues und Ragtime (um mal zwei zu nennen) sind harmonisch gesehen sehr einfach. (etwa wie die klassische Musik in der Folgezeit der französischen Revolution) Geniale Musiker wie Charlie Parker oder John Coltrane erweiterten den Rahmen, bis die Harmoniefolgen so kompliziert wurden, dass kein Mensch mehr vernünftig darüber improvisieren konnte.
Bill Evans und Miles Davis gingen (auch unter dem Einfluss von Debussy) neue Wege, verwarfen die Harmonielehre und gewannen neue Inspiration und Freiheit durch ein Skalenbezogenes Denken. Eine Komposition von Miles Davis könnte so aussehen: A-Teil: A-lydisch B-Teil: E-phrygisch .... fertig.


Das Schlimme ist, dass man immer noch einen Rattenschwanz von Wenns und Abers mit unterjubeln will, die man in der Praxis gar nicht braucht.

Du siehst, die Sache mit den Wenns und Abers ist nicht so leicht aufzulösen, kein Theortiker hat sie erfunden, sie sind dadurch zu erklären, dass die Theorie der praktischen Musikentwicklung hinterherhinkt, und uns dabei glauben machen will, dass sie ein allgemein gültiges System der Erklärung bereit hält. Das ist aber nicht der Fall.

Ich denke mal es schadet keinem, wenn man bei der Akkordfolge
C F G7 C
weiß, was die Tonika, die Subdominante und die Dominante ist.


Sicher nicht, man sollte dabei aber nicht vergessen, dass z.B: für einen Blusemusiker die Grundkadenz so aussieht:

C7 F7 G7 C7

oder so:

Cm7 Fm7 Gm7 Cm7

und z.B. für einen Jazzinteressierten so:

Dm7 Fmaj7 G7 Cmaj7


Wer sich mit Skalen beschäftigt, für den mag es hilfreich sein, dass man eine Mixolydische Skala wie eine Dur-Skala mit kleiner Septime spielt.

allerdings!!

Bömische Dörfer...
Es reicht wenn man weiß, dass man über einen G7-Akkord mit den Tönen der C-Dur-Tonleiter improvisiert


Das glaube ich nicht! der entscheidene Sound kommt nur zustande, wenn man an der Richtigen Stelle \"F\" spielt, das ist die entscheidende Info für das praktische Musizieren.


Der ganze Mumpitz mit Finalis, \"Hypoionisch\" und sonstiger Schnickschnak sollte man jedem ersparen. Oder höchstens mal als interessante Fußnote irgendwo erwähnen.

Da würde ich dir recht geben, Gott sei dank sieht das der Lehrplan an allgemeinbilden Schulen auch so, danach hat mich noch kein Schüler gefragt...

Versucht man es aber allgemein verständlich für Hobby-Musiker in der Wikipedia darzustellen, wird man von den so genannten Musikwissenschaftlern erschossen.

Nun ja, gilt Wikipedia heute als eine seriöse Recherchequelle in der man Expertenwissen verständlich aufbereitet vorfinden kann. Wer sich dort exponiert, sollte Kritik vertragen können...

Daher:
Möge das Manifest die geheiligten Hallen des Gitarrenboards verlassen und zum Allgemeingut für alle Musiker werden.


Dafür ist noch ein langer Weg zu gehen.

[i]Ich hoffe wieder Zündstoff für weitere Diskussionen geliefert zu haben.[i/]

hast du Thumbs

Gruß Gitwork
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[Bild: faust.gif]
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:_pirate:
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VallesantaCorde
17-02-2008, 12:33
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