Nun ja, zu diesen Fragen haben andere Leute ganze Bücher geschrieben (die mehr oder weniger brauchbar sind). Es gibt auch eine Form, wie Bewerbungsunterlagen heutzutage aussehen sollen. Da kann ich aber nix exakt zu sagen, ich lese Bewerbungen nur und stelle Leute ein. Eigene Bewerbungen sind da ein wenig her.
Grundsätzlich rate ich dir, ein solches Buch mal zu lesen, ich spare mir die Details. Auch beim Arbeitsamt gibt es Infos und sogar Kurse, soviel ich weiß.
Ich versuche aber mal aus der Sicht eines Bewerbungsempfängers mal ein paar Aspekte darzustellen.
Ich sitze also in meinem Büro und bekomme Bewerbungen auf eine Anzeige, sagen wir mal als Entwicklungsingenieur. Vor mir liegen also die Zuschriften, ich habe eine Stelle zu vergeben. Der Stapel ist so etwa 100 Bewerbungen hoch (wir sind nur eine recht unbekannte kleine Firma). Links im Hintergrund droht der Stapel mit den aktuellen Dingen fast umzufallen, rechts neben mir liegt der Haufen über die strategischen Dinge, über die ich mir Gedanken machen müsste. Ach ja, und 3 Mitarbeiter haben dringend um ein Gespräch gebeten. Ich mache also mein Outlook gar nicht erst auf, um mir die weiteren Termine anzusehen, die da noch sein könnten, denn ich habe mir ja die Bewerbungen vorgenommen.
Was soll diese Beschreibung des Rahmens? Als Bewerber sollte man sich zunächst mal vor Augen führen, wer da eigentlich da lesen soll. Wie lange werde ich wohl zunächst für eine Bewerbung im ersten Go aufwenden? Die richtige Lösung ist: so ca. 1 (eine!) Minute. Das macht immerhin schon, wer mitgerechnet hat, gut 1,5 Stunden meiner eher knapp bemessenen Zeit.
Selbstredend, dass ich keineswegs alle Zeugnisse lese, dass ich keine Lust habe, in Bewerbungen Prosa zu lesen und noch viel weniger, unstrukturierte Lebensläufe, Anschreiben oder Bewerbungsmappen in einen vernünftigen Rahmen zu bringen !
Anmerkung 1: Direkt an dieser Stelle: Wer meint, dass ein Bewerbungsvorgang objektiv oder gerecht ist, hat die Welt m.E. überhaupt nicht durchschaut. Der entscheidende Satz bei 100 Bewerbungen lautet: Im Zweifelsfalle GEGEN den \"Angeklagten\". Von daher bitte ich gleich von Diskussionen darüber abzusehen.
Aslo: ich suche einen Mitarbeiter, der seine Aufgabe möglichst selbständig ausführt, mir Arbeit abnimmt und das ganze auch noch ordentlich macht, am besten sogar noch gerne !
Warum sollte ich also davon ausgehen, dass ich diese Mitarbeiter gefunden habe, wenn
- das Anschreiben von Fehlern strotzt
- ich Sätze 2x lesen muss, damit ich verstehe, was gemeint ist,
- Die Firma schon falsch geschrieben ist oder das Anschreiben erkennen lässt, dass sich der Bewerber nicht einmal die Mühe gemacht hat, auf die Website zu schauen.
- Wer weiß was für tolle Fähigkeiten verkündet werden, von denen ich in den Zeugnissen nicht einen einzigen Beweis finde
- Bewerber von dem schreiben, was sie können und auch für Ziele haben, das ganze interessanterweise aber mit der ausgeschriebenen Stelle nichts zu tun hat.
Anmerkung2: Das liest sich albern, trifft aber auf 50% der Bewerbungen zu !!!
Was lernen wir denn positiverweise daraus:
1. Das Anschreiben ist eines der wichtigsten Dinge
2. Die Mappe sollte klar und deutlich gegliedert sein.
3. Wichtig ist nicht, was der Bewerber alles erzählen möchte, sondern was der Empfänger an Informationen haben will. Der Emfänger hat ein Problem (Stelle besetzen) und der Bewerber sollte die Lösung bieten
Was muss nun in ein Anschreiben:
a) meist fängt man an mit einer Floskel (im Internet geschaut, interessante Firma/Tätigkeit, blabla) Idealerweise hat man schon mal dort angerufen und sich erkundigt (aber bitte nicht nur, ob die Stelle noch frei ist). Dann kann man schreiben: Aufgrund des informativen Gespräches mit ihrem Herrn / ihrer Frau X .... Wo das nicht möglich ist, bleibt es bei einer Folskel. Das akzeptiert jeder Leser, da er weiß, das aller Anfang schwer ist.
Leitsatz bis hier: Ich will genau diese Stelle/diese Firma, weil
Leitsatz ab jetzt: Ich bin genau der/die Richtige, weil
Danach fasst man sein Angebot (=Fähigkeiten) zusammen und zwar nach dem \"EON-Prinzip\" (Die Werbung mit den Häkchen). Esgibt in jeder Anzeige rund 2-3 Muss-Anforderungen und einige Sollte-Anforderungen.
Gesucht: Informatikkaufmann ... also \"Ich schließe gerade meine Ausbildung zum Informatikkaufmann ab\" (Muss-Anforderung)
Gesucht: Gute MS Office-Kenntnisse (muss) .... \"In Ausbildung in einer Abteilung habe ich ... Excel-Anwendungen programmiert. Außerdem verwalte ich in unserem Sportverein die Rechner und kümmere mich um die Buchhaltungssoftware\"
Gesucht: Java-Kenntnisse wären wünschenswert (sollte) ... \"In meiner Freizeit habe ich meine Website mit einigen Applikationen erstellt\"
Also: An alle Muss-Forderungen MUSS auch ein Häkchen gemacht werden und idealerweise an die SOLLTE sollte es auch, muss aber eben nicht
Ein Tribut an die blabla-Softskills (Teamfähig, belastbar und was sonst noch jeder so behauptet) kann z.B. mit so Sachen untermauert werden wie Gruppenleiter (Teamfähig, ggf. Durchsetzungsfähig).
Und bitte: keine Sätze wie: Weil ich XY bereits gemacht habe, bin ich mit meinen Fähigkeiten für diese Stelle geeignet. In über 90% der Fälle, wo dieser Satz im Anschreiben steht, bin ich bis dahin schon ganz andere Meinung, wobei der Schreiber sich dann auch noch den Vorwurf der Selbstüberschätzung einfängt ... Dies muss man nicht sagen, weil die Sätze davor dem Leser schon automatisch gezeigt haben, dass dies so ist und man darf es nicht sagen, weil die Beurteilung eben diesem Leser zusteht, nur der kann nämlich beurteilen, ob er gerade die Lösung für sein Problem gefunden hat.
Dann folgt der Abspann (Ich würde mich über ein persönliches Gespräch freuen) und gut ist.
Wenn das ganze jetzt recht knapp ist, mir als Leser das Abhaken einfach gemacht wird und die Bewerbung tatsächlich auch zur Anforderung passt: Herzlichen Glückwunsch: Sie sind auf Stapel 1 (sehr interessant, so ca. 10% der Einsendungen).
Passen die SOLLTE-Anforderungen nicht ganz: Immer noch Herzlichen Glückwunsch: Sie sind auf Stapel2 (da kann man mal drüber nachdenken, ca. 30% der Einsendungen).
Ansonsten: Stapel3 (äh ... eher nein) und Stapel 4 (Das geht garnicht ... hier bekommt der Bewerber sofort ne Antwort, leider keine positive)
Nur nochmal zur Erinnerung: Bisher habe ich mich so 30 Sekunden bis 2 Minuten mit der Bewerbung befasst ....
Nächster Tag: Alles ist gesackt, der Stapel mit der Tagesarbeit ist kunstvoll mit einem Ordner abgestützt und die strategischen Dinge ... naja.
Also: Zuerst mal Stapel 1: Nochmal lesen, dann gründlich den Lebenslauf durchschauen, Zeugnisse anschauen (so 15-30 Sekunden je Zeugnis) das Bild betrachten und wieder 2 Stapel machen: Stapel 1: Einladen ... da will ich mir ein Bild machen. Stapel 2: Immer noch interessant, aber wir warten erst noch mal.
Dann der alte Stapel 2: Desgleichen, hier wandern aller Erfahrung nach immer noch ein paar wenige in den Stapel 1
Was lernen wir bis hier? ^^ Nun, ich will einfach darstellen, wie die ganze Sache aussieht. Eine vernünftige Bewerbung zu schreiben sollte eigentlich gar nicht so schwer sein, wenn man sich vorstellt, was wäre, wenn man selber davon 100 lesen müsste. Ich mein ... wer von uns würde denn ein Buch lesen oder ein Musikstück hören, nur weil der Autor oder der Interpret das interessant findet? Wie viele Leute haben denn Goethes Faust (freiwillig) gelesen? Immerhin ist das unbestreitbar gute Literatur. Aber eben nicht unbedingt die, die eine bestimmte Person gerade lesen will. Prinzip verstanden?
Anmerkung 3: Nicht dass das missverstanden wird: Es geht nicht darum, dem potentiellen Arbeitgeber nach dem Mund zu reden. Und auch nix behaupten, was man gar nicht kann, das fliegt eh auf. Ein wenig Aufpolieren ist allerdings zulässig. Aber authentisch zu bleiben ist m.E. immer wichtig.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig Anstoß zum selber denken geben. Was genau in eine Bewerbungsmappe muss, findet man bestimmt auf diversen Internetseiten. Ich persönlich finde es viel wichtiger, dass ich merke, dass sich jemand Mühe mit der Bewerbung und der Auseinandersetzung mit der Stelle/Firma gegeben hat, als dass auch die letzte Form gewahrt ist. Beispiel: Diesen modernen Bewerbungsmappen, die mir immer auseinander fallen bzw. die So einsortiert sind, dass ich beim Lesen wer weiß wie oft hin- und herklappen muss (und die mir dann auseinander fallen).
Anmerkung 4: Jemand findet das ganze ungerecht? Jep - isses. Jemand findet manche Punkte die ich beschrieben habe, kleinkariert? Kann gut sein. Ich empfehle da noch einmal den Versuch, sich in den Empfänger (einen Menschen, keine abstrakte Firma!) hineinzuversetzen. Jemand findet das ganze überzogen oder nicht allgemein gültig: Ich kann nur versichern: Das ist keinesfalls überzogen und allgemeingültiger, als manche glauben.
Ach: und noch was: nicht bange machen lassen: ruhig darüber nachdenken und andere noch Korrektur lesen lassen. Das ganze ist auch nur ein Spiel, bei dem man wirklich gut mitspielen kann, wenn man um die Spielregel weiß.
In diesem Sinne
Stefan
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Es gibt zwei Arten von Menschen: Die einen kennen mich und die andern können mich (Adenauer)