...sie waren in trier (eek, warst du dort?).
den konzertbericht wollte ich euch jedenfalls nicht vorenthalten:
Sonntag, 06.05.2007
Tokio Hotel - Akustischer Ausnahmezustand
In den Klassenzimmern regionaler Grundschulen konnte man vergangenen Freitag über einen kollektiven Mädchenmangel nicht hinwegsehen. Dass viele Schülerinnen aber nicht mit Bauchschmerzen und Wärmflasche im heimischen Bette lagen, sondern teilweise seit Donnerstagnachmittag mit Herzschmerz und Kuscheltieren vor der Trierer Arena kampierten, ist wohl den Magdeburger Mädchenschwärmen TOKIO HOTEL zu verdanken.
Trier. Akustischer Ausnahmezustand in der Warteschlange. Überall Weiber. Massenhysterie wohin das Auge reicht. Quengelnde, johlende und kreischende Kinder in engen Tops mit eindeutigen Edding-Botschaften dort, wo später mal Brüste wachsen werden. Im dichten Gedränge sprüht man sich schwesterlich alle zehn Minuten gegenseitig mit Deodorant ab. Wonach wieder fanatisch disputiert wird, ob nun Bill oder Tom der süßere Boy ist. Um die Stimmung konstant am Siedepunkt zu halten (und weil es amüsiert), lassen wir eine nach der anderen in die Videokamera schreien. Nicht, dass die Situation eskaliert wäre, dennoch entscheidet sich der scheinbar lärmempfindliche Tourmanager von TOKIO HOTEL dafür, uns in schroffem Ton und gebrochenem Deutsch des Platzes zu verweisen.
Am Abend ist es menschenleer. Der Eingangsbereich ist verwüstet und weckt desavouierte Erinnerungen an die Zeit, als der Rosenmontagsumzug noch in Trier-Nord endete. Derweil verwandeln 5300 frenetische Fans die abgedunkelte Halle in ein Meer aus giftgrünen Zirkusleuchtstäben und grellbunten Glitzerpeitschen. Im Lichtkegel interpretiert der müde wirkende, aber frisch toupierte Bill Kaulitz den Song »Schrei«. Seine zugekniffenen Augen bringen den opulent gezogenen Kajal voll zur Geltung. Die Faust ist geballt. Der schwarze Nagellack schimmert leicht hervor. Daneben liefert sein Zwillingsbruder Tom im putzigen XXL-Gangsta-Outfit die passenden Gitarrenriffs. Dahinter stehen Gustav und Georg. Die gehören auch zur Band.
Im Publikum: hyperventilierende Schulschwänzerinnen die in schweißgebadeter Gier selbstgemalte Plakate à la: »Lasst uns eure Hoden sein!« oder »Wir wollen eure Bunnys sein, steckt uns eure Möhren rein!« in die Höhe stemmen. Bald darauf etwas Abkühlung: »Ist euch auch so heiß wie mir?« flirtet Elternschreck Bill Kaulitz (unlängst übrigens von den FHM-Lesern auf Platz 27 der »unsexiest women« gewählt) kess mit den lechzenden Anhängern, bevor er den nahezu kompletten Inhalt seines Tetra-Pak-Getränks in die übertrieben durstige Menge gießt. Und dann braust er auch schon wieder auf seiner Spielplatz-Bühne hin und her. Die Fans nun auf dem Höhepunkt. Jede Bewegung der Teenie-Idole, jeder Soundeffekt, jeder Lichtblitz provoziert ohrenbetäubendes Brunftgeschrei der ekstatischen Kinderscharen.
Wirklich rocken tuts aber eigentlich nicht. Es geht um Liebe, Wut und Weltschmerz. Irgendwie fällt es schwer, 17-Jährigen solch dramatisierten Tiefgang abzukaufen. Immerhin lassen sie sich keine Songs komponieren die feinfühlige Sujets wie Geschlechtsverkehr, Pickel und Schulferien aufgreifen. Das würde sicherlich auch zu sehr an ECHT oder SOFAPLANET aus frühen Tagen erinnern. Ehrlich aber wär’s allemal.
Die Show ist zu Ende. Als kleines Bonbon kommen die vier Jungs für die Zugabe über den Steg. Inmitten einer kreisrunden Minibühne performen sie auf Barhockern hautnah ihre Singleauskopplung »Rette mich! «. Doch anstelle des wohl erhofften Schlüpferregens prasseln giftgrüne Zirkusleuchtstäbe und grellbunte Glitzerpeitschen auf die verwunderten, aber weiter musizierenden Nachwuchsrocker herab. Während die ebenso erstaunten Securities alle Mühe haben, die gutgemeinten Wurfgeschosse von der Bühne zu entfernen, brüllt Bill weiterhin: »Komm und rette mich! Ich verbrenne innerlich...« Wahrlich ein schönes Bild.
– von Dennis Duncker
http://www.hunderttausend.de
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\"Ein Eifler Junge macht erst mit 6 Monaten die Augen auf, aber dann sieht er alles.\"
(Jaques Berndorf)