tja, nach einer woche fast pausenlosem hören muss ich euch jetzt einfach die neue bob dylan-cd \"modern times\" nahelegen. vorneweg: der titel ist hohn, so sympatisch-altmodisch wie der meister die scheibe aufgenommen hat. nach fast exakt 5 jahren eine würdige fortsetzung zum meisterwerk \"time out of mind\" und der ebenso gelungenen nachfolgescheibe \"love and theft\".
dylans letztes album kam genau am 11. september 2001 raus - als ich seinerzeit die cd bei saturn kaufen wollte, dachte ich noch \"uiuiui, die haben heute independence day auf dvd im angebot\", da auf etwa 100 tv-geräten nur brennende hochhäuser zu sehen waren. dummerweise waren das allerdings live-bilder, da an diesem tag ja bekanntlich noch etwas anderes los war...
der nachfolgenden amazon-kritik schließe ich mich jedenfalls vorbehaltlos an (und verspreche, künftig auch wieder ms zu hören)!
kulturnews.de
Alicia Keys wird sich freuen: Bob Dylan erwähnt sie im Song \"Thunder on the Mountain\". Wenn er an sie denkt, singt er, muss er weinen. Ob vor Sehnsucht, Mitleid oder unerfüllter Liebe, bleibt im Vagen. berhaupt lösen Frauen in ihm alle möglichen Gefühle aus, zumeist eher schädliche. Denn mit der Liebe hat es nie geklappt - und wie auch, wenn er Unmögliches verlangt: \"I want some real good woman to do just what I say\". Oder wenn er zugibt, wild auf sie zu sein, und sie das gefälligst erwidern soll. In messerscharfem Rhythm
Blues, weichem Westernswing oder gar Celloballaden erörtert Dylan die wirklich wichtigen Dinge des Lebens: Liebe und Transzendenz. Er tut das ohne Pathos, sehr selbstkritisch und ohne große Hoffnung auf Besserung. Landschaften werden zu Jenseitsmetaphern, doch von Religiosität ist wenig zu spüren; und wenn vom Paradies die Rede ist, dann als vernachlässigtem Raum: Der Gärtner hat gekündigt. Dylans aktuelle Tourband mit Tony Garnier (b, cello), George G. Receli (dr), Stu Kimball (g), Denny Freeman (g) und Donnie Herron (steel g) pflegt einen punktgenauen ökonomischen Stil, der praktisch ohne jedes Solo auskommt - und das passt gut zu Dylans weitgehend refrainlosen Songs. \"Modern Times\" wirkt wie eine Symbiose aus der Düsternis von \"Time out of Mind\" (1997) und dem in der Americana-Tradition wühlenden \"Love & Theft\" (2001); es bildet gleichsam den Abschluss einer Trilogie. Noch nie gab sich Dylan so selbstkritisch, so unleidlich, gleichermaßen verletzlich wie bedrohlich. Im Song \"The Levees gonna break\" fleht er um die Rückkehr der Geliebten, er verspricht allerhand, doch der Songtitel (\"Der Damm wird brechen!\") klingt wie eine Drohung, die sein Flehen untermauern soll - und es natürlich unterminiert. In seiner emotinalen Zerrissenheit ein ganz starkes Album, auch gesanglich. Denn zum Glück verzichtet Dylan auf die live praktizierte vokale Zerstörung seiner klassischen Melodien. Mal sehen, wie es den potenziellen Fanfavoriten \"Ain talkin\", dem von Muddy Waters stibitzten \"Rollin and tumblin\" oder \"Someday Baby\" gehen wird, wenn sie in die Tretmühle der neverending tour geraten. Doch das entscheidet der Meister alleine. Denn auch wenn er die Frauen nicht im Griff hat - seine Songs schon. (mw)
p.s.: ein dylan-video \"cold irons bound\" gibts übrigens
hier!
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Forumstreffen 08.-10. September 2006 in Neuerburg/Eifel