Geschichten allerart

[Oliver-Rocker]

Die Verrückten kümmerten sich nicht um die Polizeistunde. Für sie hatte sie keine Geltung. Nicht für sie und nicht für die Kinder. Aus Souterrains, Gäßchen, Türnischen, wo sie schliefen, tauchten diese Kindergespenster auf, von der Hoffnung getragen, vielleicht doch noch, in der letzten Stunde des Tages, Mitleid in den Menschenherzen wecken zu können. Sie stellten sich an Laternen, Häuserwände und auf die Fahrbahn, hoben ihre Köpfe in die Höhe und winselten monoton, daß sie hungrig seien. Die Musikalischeren von ihnen sangen. Mit dünnen, schwachen Stimmchen sangen sie die Geschichte vom jungen Soldaten, der in der Schlacht verwundet wird und, von allen auf dem Schlachtfeld verlassen, sterbend Mutter! ruft. Aber seine Mutter ist nicht bei ihm. Sie ist weit fort und weiß nicht, daß ihr im Sterben liegt, und nur die Erde wiegt mit dem Rauschen der Bäume und Gräser den Armen in den ewigen Schlaf: Schlafe, mein Söhnchen, schlafe, mein Lieber! Und eine Blüte, die von einem Baum auf seine tote Brust gefallen ist, ist sein einziges Ehrenkreuz. Andere Kinder versuchten den Leuten ins Gewissen zu reden und sie zu überzeugen: Wir sind wirklich sehr, sehr hungrig. Wir haben schon lange nichts mehr gegessen. Gebt uns ein Stückchen Brot, und wenns kein Brot ist, dann wenigstens eine Kartoffel oder eine Zwiebel, damit wir bis morgen durchhalten.
Aber kaum jemand hatte diese eine Zwiebel, und wenn er sie hatte, dann hatte er kein Herz. Der Krieg hatte es zu Stein werden lassen.

Das ist aus \"Der Pianist\" von Wladyslaw Szpilman, ich lese dieses Buch gerade und es treibt mir kalte Schauer über den Rücken, weil ich weis, das es wahr ist.
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Die Menschen muss man nehmen wie sie sind, nicht wie sie sein sollten.