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Normale Version: Problem mit Geschwindigkeit
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Hallo,

ich habe vor rund 2 Jahren mit dem Zupfen angefangen und lerne seitdem Un Dia De Noviembre von Leo Brouwer, und zwei Stücke von Autonio Lauro: Valse Venezolano Nr.2 und El Marabino.

Mit dem ersten Stück bin ich recht zufrieden, aber die anderen beiden machen mich langsam aber sicher mürbe. Ich komme einfach nicht auf die amtliche Geschwindigkeit von 160 Beats pro Minute(BPM). Ich kann sie gut kontrolliert mit ca. 100-110 BPM spielen, nachdem ich mich ca. 10-15 Minuten lang warm gespielt habe. Ab 120 BPM mache ich einfach zu viele Fehler.

Nun ist es so, das ich relativ spät mit dem Zupfen angefangen habe, ich bin über 40 Jahre alt. Ich habe vorher 10 Jahre lang E-Gitarre gespielt, aber das Zupfen lernen war, als ob ich neu gehen lernen muss!

Könnte der Grund sein, das man es in diesem Alter einfach nicht mehr bringt? Mich würde interessieren wie lange diejenigen, die die 160 BPM spielen können, dafür geübt haben (Vielleicht liest es hier ja der eine oder andere.).

Wäre es nun angebracht, das ich mir einfachere, langsamere Stücke aussuche, oder ist da noch etwas zu machen?
Wieviele Minuten und wie häufig sollte man an solch einem Stück üben?


Gruß,
Josef
Hallo,

es ist meistens möglich noch Tempo zu steigern. Natürlich sind die Fortschritte mit höherem Tempo auch langsamer. Ich sehe da zum Alter nur die Abhängigkeit, dass man länger braucht, um Ziele zu erreichen. Wenn du nicht weiterkommst, kann das übrigens auch technische Gründe haben, z.B. eine falsche Handhaltung oder ein zu hoher Muskletonus beim Spielen.

Tempobezeichnungen werden allgemein zu genau genommen. Ursprünglich ist damit nämlich der Ausdruck eines Stückes gemeint. Bei Allegro z.B. munter, fröhlich. Das sollte erstmal im Vordergrund stehen. Ich habe auch noch nie etwas von einer \"amtlichen\" Geschwindigkeit gehört Wink Mit sowas solltest du dich nicht unter Druck setzen.

Schnelligkeit entsteht nicht durch hohes Tempo, sondern durch sauberes, präzises Spiel. Ein schneller, stümpernder Gitarrist wirkt subjektiv genau so schnell wie ein langsamerer, sauberer Spieler. Der Lauro Walzer wirkt vor allem duch ein klares, sauberes Spiel. In 160 habe ich ihn noch nie gehört, denn dann gehen alle Nuancen dieses schönen Stückes völlig unter.

Einfachere Stücke auszusuchen, halte ich für eine sehr gute Idee. Probiers mal mit den Brouwer-Etüden oder den Sor-Walzern. Übungszeiten für solche Stücke kann man nicht angeben, das macht keinen Sinn, denn jeder übt unterschiedlich intensiv. Wenn du aber das Stück kannst, dann solltest du immer zuerst die schweren Stellen üben (kann ruhig 100x sein) und erst danach das ganze Stück spielen.

Tägliche technische Übungen sind für ein gutes Konzertgitarrenspiel notwendig. Ich meine damit Zerlegungsübungen, Lagenwechsel, Tonleitern und Aufschlags- und Abzugsbindungen. Danach Etüden und dann die Literatur.

Hoffe, das hat ein bisschen geholfen.

Grüße von Grusel
@jupp

du kannst es so spielen wie DU es willst.....DU darfst das....du bist alt genug... ;D
@fisch

Schön wäre es ja, kann ich eben nicht, sonst würde ich es mit ca. 140 BPM spielen.



@Gruselgitarre

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Es scheint tatsächlich so zu sein, das ich mit den Fingern zu stark auf die Saiten drücke. Vielleicht sollte ich öfter mal versuchen, mich auf den Fingerdruck zu konzentrieren und diesen möglichst gering zu halten. Ich habe an mir beobachet, das es mir anfangs ganz gut gelingt aber im Laufe des Spielens vergesse ich es wieder habe den Eindruck, die Saiten zu stark niederzudrücken.

Grüße,

Josef
@Josef

Ja, zu hoher Druck bis hin zur Verkrampfung ist ein häufiges Spielhindernis. Mit der richtigen Körperhaltung kannst du bereits ohne Fingerkraft bis zu 4 Saiten herunterdrücken, allein durch das Gewicht deines linken Oberarmes. Das gilt allerdings nur für die \"klassische\" Gitarrenhaltung.

Wenn du beim Spielen nach und nach fester zudrückst, hast du den richtigen Druck noch nicht verinnerlicht. Da hilft nur Üben. Am besten die Töne so schwach greifen, dass sie schnarren, dann etwas erhöhen bis der Ton sauber ist. Dafür braucht man weniger Kraft als man denkt.

Außerdem ist bei zu hoch angespannten Fingern oft auch der Schultergürtel ebenfalls verspannt. Teste das mal dadurch, dass du beim Spielen etwas auf die Schulter legst (Kirschkernsäckchen oder schweres Handtuch).

Viel Erfolg und gutes Üben
wünscht Grusel