Das große deutschsprachige Gitarrenforum

Normale Version: stroy: the teens, brian adams, allmann brothers etc.
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vorsicht, der text ist lang - ich habe mich aber schäppich dabei gelacht. ;D
wenn mir die quelle bekannt wird, reiche ichs nach (vermutlich jimi berlin).


Die \"The Teens\"

Mit 13 Jahren fing ich an, Gitarre zu spielen.
Vor allen Dingen, weil ich damit die vage Hoffnung verband, eines Tages Rockstar zu werden und dann würde Claudia Schickedanz von nebenan mit mir gehen wollen.
Das war 1978. Rockstar schien ein guter Beruf für 13-jährige zu sein. Denn damals gab es eine Band mit Jungs in meinem Alter, die „The Teens\". Die „The Teens\" waren dauernd im Fernsehen oder liefen im Radio.Sie hatten einen Hit, der „Gimme, gimme, gimme your love\" hieß und in der „Bravo\" konnten alle unberühmten Teens abstimmen, wer am süßesten von der Gruppe war.
Wer von uns Jungs dabei erwischt wurde, für die „Teens\" zu stimmen, wurde fortan als „schwul\" bezeichnet. Alle aus meiner Clique behaupteten, „Gimme, gimme, gimme your love\" und die Gruppe doof zu finden, aber jeder besaß eine Kassette, auf der „zufälligerweise\" dieses Lied zu finden war.
Damals kaufte man keine CD´s sondern Kassetten, oder man nahm Radio- und Fernsehsendungen mit einem tragbaren Kassettenrecorder auf, der in etwa die Form und Größe eines Badeschlappenschuhkartons hatte und ein integriertes Mikrofon besaß. Damit hockte man dann dicht vor dem Fernseher oder Radio und bat alle Anwesenden um absolutes Stillschweigen. Trotzdem waren auf den Aufnahmen Nebengeräusche zu hören, etwa Geschirrklappern, Telefonklingeln und Mutti mit: „Du verdirbst dir die Augen, wenn du so dicht vor dem Fernseher sitzt\".
Auch ich hatte eine Kassette von den Teens. Aufgenommen, als sie in der Sendung „Disko\" mit Ilja Richter („Licht aus, Spot an!) auftraten. Ich versteckte die Kassette unter meinem Bett und hörte sie nur heimlich, immer in der Angst, „schwul\" zu werden.
Zu dieser Zeit ging ich davon aus, dass „Schwulwerden\" eine Seuche aus dem Weltraum war, die dazu führte, das einem ordentlichen Meßdiener wie mir der Hänsel abfaulte. Außerdem glaubte ich – völlig zu Recht – dass man lediglich ein Instrument festhalten und eine lustige Frisur haben müsse, um dem Beruf des Rockstars nachgehen zu können, war mir aber nicht vollkommen sicher.
Schließlich wurde ich über all diesen Fragen älter, 13 ½ um genau zu sein, und vernachlässigte das Gitarrespielen, fand „Santana\" besser als die „Teens\" - was mir heute ziemlich peinlich ist - und ging zum Fußballtraining, unter anderem auch, weil man da nicht so alleine war. Ich fand mein Glück und den ersten Vollrausch beim heimischen SVE.

Erst Jahre später wurde das Thema Rockstar wieder aktuell. Diesmal verbunden mit der vagen Hoffnung, unheimlich viel Geschlechtsverkehr mit ständig wechselnden Partnerinnen in den gewagtesten Positionen zu haben. Außerdem wollte ich in einem großem Bus mit dem stilisierten Namen meiner Band auf der Seite durch die Gegend fahren.
Unterwegs zum Konzert in angesagte Clubs oder auf Open Airs. Vollgepumpt mit Drogen. Auf der Rückbank die Mädchen; dralle junge Dinger, die nur eines im Kopf hatten – Abitur.
In Wirklichkeit spielte ich zwar in einer Band, aber wir fuhren immer mit einem alten VW Bus. Und das einzige Mädchen, das mitfuhr, war Daniel, unser Keyboarder. Immer ist natürlich gelogen. „Immer\" war manchmal Samstags. Wenn es hoch kam, 5 Samstage oder so im Jahr.
Ansonsten hatten wir nur Auftritte im Jugendzentrum oder in der Kneipe um die Ecke und mussten dafür auch keinen Bus mieten, sondern packten die Instrumente, Verstärker und die Anlage auf die Fahrräder und in die PKW´s. Meistens hatten wir dann zwei- oder dreimal zu fahren, weil der Kram so sperrig war. Und so schwer. Aber Hauptsache Spaß.
Am schwersten war die Hammond-Orgel - ungefähr eine Tonne. Hammond-Orgeln wurden in den 50ern erfunden, damit puritanische Amerikaner ohne Sexualleben die Christmette nicht nur am Tag des Herren, sondern jeden gottverdammten Tag mit schaurig schummernder Orgelmusik in ihren braun tapezierten „Living Rooms\" zelebrieren konnten. Eine Kirchenorgel in Minaturausgabe sozusagen. Kein anderer Mensch außer diesen religiösen Eiferern wäre je auf die Idee gekommen, eine Hammond-Orgel zu spielen, geschweige denn sie öfter als einmal von A nach B zu transportieren, weil diese Monstren nun mal sauschwer und außerdem sehr unhandlich sind. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

In den 70ern gründete ein langhaariger junger Mann namens Greg Allmann mit seinem Bruder die „Allman Brothers Band\" - eine berühmte Bluesband, die heute keine Sau mehr kennt. Greg Allmann spielte Hammond-Orgel und entsprach mit seinem modischen Geschmack, den langen Haaren, Koteletten und einem Hang zum behaschten Müßiggang genau dem 70er Jahre-Zeitgeist und wurde durch diesen Unsinn praktisch weltweit bekannt.
Aufgrund dieser Berühmtheit, die nichts mit Musik an sich zu tun hatte, schaffte er es, den Leuten zu suggerieren, dass der uncoole Hammond- Orgel Sound total cool war. „Er hat den Blues\", sagten die Leute damals, und wenn sie noch leben, sagen sie es heute noch. Greg Allman jedenfalls war ein Rockstar und musste deswegen seine Orgel nicht selbst schleppen – er hatte Roadies.
Daniel, unser Keyboarder, hatte keine Roadies – er hatte uns.
Das einzig Gute an der Tatsache, fast keine Auftritte zu haben, war der Umstand, die Orgel nicht so oft tragen zu müssen - bei deren Transport Daniel im übrigen so gut wie nie beteiligt war, weil er „noch etwas vergessen\" hatte. „Ich hab´ vergessen, meine Freundin anzurufen, bin gleich zurück, dann helfe ich euch.\" Oder „Scheiße, ich hab´vergessen, meinen Wagen aus dem Parkverbot zu fahren. Wenn ihr die Orgel in den Bus legt, denkt dran, dass sie nicht hochkant stehen darf.\"
Wenn eine Hammond-Orgel hochkant steht, kann nämlich das Öl(!) auslaufen. An dieser Stelle muss ich mich natürlich fragen lassen, wieso man überhaupt in den frühen 90ern – denn in dieser Zeit spielt diese vage Anekdotensammlung – auf die Idee kam, mit riesigen, ölhaltigen Hammond-Orgeln Rockmusik zu machen, wo es doch schon handliche Synthesizer und massenkompatible Gutfindemusik aus der Retorte gab.
Nun, in jenen Tagen entstand das, was man fortan als „Retro\" bezeichnen sollte. Bands wie die „Black Crows\", „Pearl Jam\" und andere musikalische Schwerverbrecher feierten langhaarig und schlechtgelaunt Hitparadenerfolge mit total altbackenen Sounds und Songs aus der 60er Jahre-Mottenkiste.
Und auf einmal trugen alle wieder lange Haare, Schlaghosen und Prilblumen im Haar. So wie heute „Lufthansa\"-Taschen todschick sind, krasse Hüftgürtel und Shirts mit Che Guevara, dem berühmten kubanischen Salsasänger, der letzte Woche an Taschenkrebs verstorben ist. Was uns aber wirklich antrieb, waren nicht solche Äußerlichkeiten, sondern Ruhm, Ehre und Gigs.
Auftritte vor entfesselt tanzenden jungen Weibern und gröhlenden Kerlen. Mit Hammond-Orgel und beginnenden Bandscheibenschäden. In Wittlich statt London. Oder in Leiwen. Da wo keine Sau tanzt. Allerhöchstens, wenn man „Summer of `69\" spielt. Aber sowas spielten wir nie. Wir wollten schließlich cool sein. Doch tief in unseren Landeierseelen dräute die unheilvolle Ahnung, dass auch in uns ein kleiner uncooler Brian Adams mit Dauerakne steckte und das ließ uns so manche Nacht nicht schlafen.
Cooler als Brian Adams war es, mit dem geliehenen VW Bus zum Gig zu fahren. Der Bus kostete zwar die Hälfte der Gage, aber er brachte die guten alten Klassenfahrtzeiten zurück. Statt hartgekochte Eier zu pellen, rauchten wir allerdings dicke Joints und dann war erstmal Ruhe für die nächste halbe Stunde.

Stefan, der Schlagzeug spielte und Norbert, der Bassist, wechselten sich mit dem Fahren ab. Wer fuhr, durfte zwar nichts Alkoholisches trinken und kein Hasch rauchen, aber dafür seine eigenen Kassetten abspielen. Nur Hendrik, der Gitarisst, durfte nie Kassetten mitbringen, weil er keinen Führerschein besaß. Pech.
Außer ihm hatte jeder für den Fall der Fälle eine eigens angefertigte „Mixkassette\". Jede Mixkassette trug einen programmatischen Namen. Die A-Seite meiner Lieblingsmixkassette hieß „Massaker\", die B-Seite „Noch mehr Massaker\". Aber wählen durfte wie gesagt eigentlich nur der Fahrer. Trotzdem wurde immer zwischen Nichtfahrern und Fahrern diskutiert, was laufen sollte. Der Kompromiss lautete oft „Dann mach ich eben das Radio an\". In der Regel konnten wir uns auch auf AC/DC einigen - obwohl die mit dem neuen Sänger nicht mehr so gut waren wie früher mit Bon Scott.
Wenn AC/DC lief, kriegte man sofort Durst auf Bier und musste an der nächsten Tankstelle raus und im Shop Autobahnbier kaufen. Wenn kein AC/DC lief, kriegten wir auch Durst. Die nächste Tankstelle war im Regelfall wirklich die allernächste, etwa nach 100 Metern. Das Bier reichte dann bis ins übernächste Dorf. Viel weiter mussten wir meist sowieso nicht fahren. Die erste Pinkelpause war dann spätestens da oder ein Dorf vorher.

In diesem Zusammenhang gibt es eine nette Anekdote über den Sänger einer anderen Band, ausgestattet mit schwacher Blase, der durch häufig eingeforderte Pinkelpausen solange nervte, bis sich der Rest der Band weigerte, im 5 Minuten Takt die Fahrt zu unterbrechen. In dieser Band spielte ein Schlagzeuger, der aus fahrenden Autos urinieren konnte, indem er sein – im Übrigen recht üppiges – Gemächt, verlängert mit einer eingerollten Playboyausgabe, aus dem Fenster hing.
Das kann ich auch, dachte der besagte Sänger, benutzte statt eines teuren Hochglanzmagazins aber nur eine null belastbare „Bild\", die sich prompt mit Urin vollsaugte und in der Mitte rechtwinklig einknickte. Da ging dann alles auf die neue Levis 501. Ganz zu schweigen vom Uringeruch, der sich bei sommerlichen Temperaturen im Wagen breit machte und noch auf der Nachhausefahrt bei allen Bandmitgliedern zu Brechreiz führte. Aber das ist eine andere unappetitliche Geschichte.

Zurück zum eigentlichen Plot, der nun seinem Höhepunkt entgegen steuert. Eines Tages begab es sich, dass ich beim Aufräumen eine alte Kassette wieder fand. Du ahnst es nicht – die Teens-Kassette! Auf unergründlichen Wegen war eben diese in die Brusttasche meiner Jeansjacke gelangt und aus gleichermaßen unerfindlichen Gründen glaubte ich, dass wir – also die Band und ich – unglaublichen Spaß haben könnten, wenn nur die „The Teens\" anstelle von AC/DC laufen würden.
Leider war ich nicht der Fahrer, nutzte aber eine durch reichlich Hasch und Alkohol ausgelöste Argumentationsschwäche meiner Bandkollegen aus, nahm Norbert, der auf dem Beifahrersitz saß, von hinten in den Schwitzkasten und schob mit der freien Hand die Teens-Kassette in den Recorder.
Auf der Kassette waren aber nicht die „The Teens\".
„Claudia Schickedanz, i love you and sis song is for you\", hörte ich eine eben dem Stimmbruch entwachsene Stimme in schlechtem Englisch sagen. Verzweifelt versuchte ich, der Kassette habhaft zu werden, aber meine Kollegen drückten mich mit harten Griff und unter Juchzen und Keckern auf die Rückbank zurück.
„Ihr Schweine!\" schrie ich, konnte aber eine mit grausig wimmernder Stimme vorgetragene 8-Minuten-Version von „Lady in Black\" nicht übertönen. Als wäre es gestern gewesen, sah ich mich wieder mit der Gitarre unter dem „Uriah Heep\" - Poster sitzen. Lauthals grölten meine sogenannten Freunde den „Uhuhuhu\" – Chor mit und schworen Stein und Bein, mich von Stund an auf jeder Party bloßstellen zu wollen.
„Ich war 13!\", jammerte ich verzweifelt, aber im gleichen Augenblick wusste ich mit felsenfester Sicherheit, dass ich niemals Rockstar werden würde. Nicht mit dieser Vergangenheit.

Und tief in meinem Inneren ertönte gellend ein höhnisches Lachen. Das muss Brian Adams gewesen sein.



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\"Ein Eifler Junge macht erst mit 6 Monaten die Augen auf, aber dann sieht er alles.\"
(Jaques Berndorf)
Einfach herrlich Smile . Wie eine Zeitreise.

Gruß, 2Julia
von wegen, unbekannte quelle... Irre

hört sich irgendwie nach deiner vergangenheit an... ;D

Klampfer1
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grüssle aus kölle.
mombasa
Sehr schöne Geschichte....
Danke Eifeljanes für die schöne \"Erinnerungstour\"... Thumbs

An die \"Teens\" kann ich mich auch noch erinnern. Die Mädels aus meiner Klasse sind immer völlig hysterisch gewesen. Und wegen \"Robbie\" hatten sie schlaflose Nächte....
;D

Und an die Cassettenaufnahmen vorm Radio, wo alle still sein mussten, kann ich mich auch noch gut erinnern... *gg*
Hab noch welche von diesen Exemplaren mit Aufnahmen der \"Schlagerrallye\" und \"Discothek im WDR\"... *lol*
Ich sag nur: \"Und diese Platte wird ein Hit!\"

Waren das noch Zeiten... I)
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Leben und leben lassen...
@mombasa: neee, neee - meine vergangenheit sah ganz anders aus. nachdem ich so so mit etwa 11 gemerkt hatte, dass meine unsterbliche liebe zu ihr von abbas agnetha eher nicht erwidert wird, fing ich zunächst damit an, shakin stevens \"playback\" vor dem großen spiegel meines kleiderschranks einzuüben.
gitarre kam leider erst zwanzig jahre später. mhhh... ob agnetha mich vorher wohl...? :look:

@aenne: eine freundin von mir, jahrgang 67, zeigte mir vor ein paar jahren mal ihr altes \"teens\"-sammelalbum. bravo-schnipsel etc., die sie mit 13-15 gesammelt hatte.
uuuunglaublich - poser-fotos auf einem herculesmofa! und dann diese klamotten! Thumbs

the teens / teens-fanpage

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\"Ein Eifler Junge macht erst mit 6 Monaten die Augen auf, aber dann sieht er alles.\"
(Jaques Berndorf)