Das ist jetzt mal der Versuch ein bisschen Klarheit bezüglich Kirchentonarten zu schaffen...
Wer den ganzen Fred bis jetzt aufmerksam verfolgt sollte sich vorher mal seine Birne freipusten... es ist nämlich eigentlich alles ganz einfach ;-)
Ausgangspunkt ist jetzt nicht die C-Dur-Tonleiter = reines Dur. Sie besteht bekanntlich aus den Tönen C, D, E, F, G, A und H. Kommen wir zum 1. Punkt den man sich mal merken sollte: Das H gibt es nur im deutschsprachigen Raum. Die naheliegendste Erklärung war und ist, dass beim manuellen Kopieren in grauer Vorzeit aus dem B ein H wurde. Die Ur-Tonleiter, so es sie denn je gab, Bestand aus den Tönen A, B, C, D, E, F und G. Dieses ist die reine Moll Tonleiter... Basis für die ersten niedergeschriebenen Gesangsvorlagen für das Mönchstum. Wer sich hier für weitergehende Infos interessiert, der sollte Google bemühen.
Schauen wir uns diese Ur-Tonleiter mal genauer an. Zwischen den Tönen gibt es Abstände (''=halber, '.'=ganzer Ton): A.BC.D.EF.G.A ... und um in Bezug auf die Gitarre noch mal eine eindeutige Klarheit zu schaffen: Der Abstand für einen halben Ton sind EIN Bund, der Abstand für einen ganzen Ton ZWEI Bünde... ;-)
Code:
1. A.BC.D.EF.G.A (aeolisch, reines Moll)
2. BC.D.EF.G.A.B (lokrisch)
3. C.D.EF.G.A.BC (ionisch, reines Dur) Abstände: GGHGGGH
4. D.EF.G.A.BC.D (dorisch, Moll-klingend)
5. EF.G.A.BC.D.E (phrygisch, Moll-klingend)
6. F.G.A.BC.D.EF (lydisch, Dur-klingend)
7. G.A.BC.D.EF.G (mixolydisch, Dur-klingend) Abstände: GGHGGHG
Unter Beibehaltung der Tonbezeichnung und der Abstände entstehen aus dieser UR-Tonleiter die anderen Tonleitern... Die Töne werden einfach einen nach links geschoben, der vorderste Ton kommt hinten dran, und so entsteht so eine Tonleiter. Es gibt also max. 7 Kirchentonleitern (es gibt noch einige andere ausser Kirchentonleitern, dazu vielleicht mal an anderer Stelle mehr).
Ob eine Tonleiter Moll- oder Dur-klingend erscheint, hängt vom Abstand des Grundtons zur Terz (3. Ton) und vom Abstand der Terz zur Quinte (5. Ton). Ausnahme ist hier Lokrisch. Diese Tonleiter klingt irgendwie "erwartend".
Abstand vom Grundton zur Terz und zur Quinte:
Code:
1. aeolisch: Grundton + 1GT + 1HT = 3HT => Terz + 1GT + 1GT = 4HT => Quinte ... mollig
2. lokrisch: Grundton 1HT + 1GT = 3HT => Terz + 1GT + 1HT = 3HT => Quinte... erwartend
3. ionisch: Grundton + 1GT + 1GT = 4HT => Terz + 1HT + 1GT => Quinte ... durig
4. dorisch: Grundton + 1GT + 1HT = 3HT => Terz + 1GT + 1GT = 4HT => Quinte... mollig
5. phrygisch: Grundton + 1HT + 1GT = 3HT => Terz + 1GT + 1GT = 4HT => Quinte ... mollig
6. lydisch: Grundton + 1GT + 1GT = 4HT => Terz + 1GT +1HT => Quinte ... durig
7. mixolydisch: Grundton + 1GT + 1GT = 4HT => Terz + 1HT +1GT => Quinte ... durig
Was ist hieraus in Hinblick auf Akkorde (Harmonien) ersichtlich?
Beträgt der Abstand vom Grundton zur Terz 3 Halbtonschrite und von der Terz zur Quinte 4 Halbtonschritte, klingt es mollig
Beträgt der Abstand vom Grundton zur Terz 4 Halbtonschrite und von der Terz zur Quinte 3 Halbtonschritte, klingt es durig
Beträgt der Abstand vom Grundton zur Terz 3 Halbtonschrite und von der Terz zur Quinte 3 Halbtonschritte, klingt es erwartend
Terzschichtung
Wenn wir dem jetzt tatsächliche Akkorde zuordnen würden, würde das folgende für die C-Dur Tonleiter herauskommen... Der Begriff Terz wird hier verwendet für den Abstand von 3 Tönen. Üblicherweise nennt man den Abstand von 3 Halbtonschritten kleine Terz, den Abstand von 4 Halbtonschritten große Terz.
3-Klänge = Grundton + Terz + Terz
Code:
C-Dur - C-E-G - 4HT + 3HT - gr. Terz + kl. Terz
D-Moll - D-F-A - 3HT + 4HT - kl. Terz + gr. Terz
E-Moll - E-G-B - 3HT + 4HT - kl. Terz + gr. Terz
F-Dur - F-A-C - 4HT + 3HT - gr. Terz + kl. Terz
G-Dur - G-B-D - 4HT + 3HT - gr. Terz + kl. Terz
A-Moll - A-C-E - 3HT + 4HT - kl. Terz + gr. Terz
B-dim - B-D-F - 3HT + 3HT - kl. Terz + kl. Terz (verminderter Dreiklang)
Code:
Kleiner Exkurs zu den 4-Klängen
4-Klänge - Grundton + Terz + Terz + Terz
C-Maj7 - C-E-G-B - 4HT + 3HT + 4HT - gr. Terz + kl. Terz + gr. Terz
D-Moll7 - D-F-A-C - 3HT + 4HT + 3HT - kl. Terz + gr. Terz + kl. Terz
E-Moll7 - E-G-B-D - 3HT + 4HT + 3HT - kl. Terz + gr. Terz + kl. Terz
F-Maj7 - F-A-C-E - 4HT + 3HT + 4HT - gr. Terz + kl. Terz + gr. Terz
G-7 - G-B-D-F - 4HT + 3HT + 3HT - gr. Terz + kl. Terz + kl. Terz
A-Moll7 - A-C-E-G - 3HT + 4HT + 3HT - kl. Terz + gr. Terz + kl. Terz
B-Moll7b5 - B-D-F-A - 3HT + 3HT + 4HT - kl. Terz + kl. Terz + gr. Terz (b5= um einen Halbton verminderte Quinte)
4-Klang-Exkurs ENDE
Die gängigste Tonarten sind natürlich reines Dur (ionisch) und reines Moll (aeolisch). Mixolydisch und dorisch findet man oft in Celtic Sachen, lokrisch und phrygisch in mehr südländischen und arabisch angehauchten Sachen. Lydisch findet man oft auch in moderner Musik. Es gilt aber... irgendwie kann alles irgendwo auftauchen. Jazz und Latin beziehen z.B. ihren Harmonievorrat gerne aus den 4-Klängen. Alles wird halt verwendet ;-) ... Wie beim Schlachter... alles Mögliche wird verwurstet.
Zurück zum Thema. Bei den bisherigen Betrachtungen gingen wir immer vom Tonvorrat der C-Dur oder A-Moll Tonleiter aus. Schauen wir uns mal die G-Dur (ionische) Tonleiter an: Abstände GGHGGGH, also Abstand vom 1. zum 2. Ton G=Ganzton, Abstand vom 2. zum 3. Ton G=Ganzton, Abstand vom 3. zum 4. Ton H=Halbton usw. Daraus folgt: G.A.BC.D.E.F#G. Die Ganzton-Halbtonschritte zwischen den Tönen entsprechen exakt den Abständen der ionischen C-Tonleiter. Im Notenblatt sehen wir... Ein #, Yippie!
G.A.BC.D.E.F#G (ionisch, reines Dur)
E.F#G.A.BC.D.E (aeolisch, reines Moll)
usw.
Der Grundton ist also immer vollkommen unerheblich, es kommt auf die Abstände der Töne an. Diese bestimmen, ausgehend von einem Grundton, um welche Tonleiter es sich (im Rahmen der Kirchentonarten) handelt:
Fieses Beispiel - Toss The Feathers von den Corrs
Jeder kennt es oder hat es schon mal gehört. D mixolydisch. Als erstes betrachten wir uns allerdings die D-Tonleiter mit den Abständen aus dem ersten Block für die ionische Tonleiter: GGHGGGH. D hat auf dem Notenblatt 2 #... das erkennen wir jetzt schon mal in der Tonleiter bei den Tönen F# und C#:
Ergebnis D.E.F#G.A.B.C#D
Schauen wir uns mal die Abstände für Mixolydisch aus dem erten Block an. Da steht hinten... GGHGGHG, also Abstand vom 1. zum 2. Ton G=Ganzton, Abstand vom 2. zum 3. Ton G=Ganzton, Abstand vom 3. zum 4. Ton H=Halbton usw. Das wenden wir jetzt mal auf den Grundton D an:
D.E.F#G.A.BC
Es fällt auf, dass nur noch ein # vorhanden ist. Auf einem etwaigen Notenblatt steht jetzt auch nur noch ein #. Verwirrend, oder? Deshalb ist es ein fieses Beispiel. Das wäre dann doch die Tonart G... An Hand des tonalen Zusammenhangs kommt man dann schon dahinter, dass es sich um D mixolydisch handelt, es ist zugegebenermaßen aber nicht immer einfach.
Hieraus ableiten lässt sich ...
A. Der prinzipielle Tonumfang des Stücks ... und B. Die möglichen Harmonien für die Begleitung: D, Em, F#m, G, Am, Bm, C. Diese werden wieder mit der Terzschichtung (s.w.o.) ermittelt. Auch hier ist Toss The Feathers wieder ein fieses Beispiel. Ein Teil dieses Stückes ist nämlich in D-ionisch (Umgangssprachlich doofes D-Dur). Daher kommt in diesem Stück auch die Akkorde A-Dur und A7 vor... die rein von der Lehre her nicht beteiligt wären.
Ich sagte ja.... alles ganz einfach ;-) ... Und alles ist irgendwie doch möglich.
Noch was zu den Powerchords (2-Klänge, 5er Akkorde)
Mann kann auch mit den Powerchords, die ja nur aus dem Grundton und der Quinte (5. Stufe) zusammengestzt sind, den tonalen Charakter von Dur und Moll erkennen/erahnen/sich einbilden/nachempfinden. In Zusammenhang mit einer Melodie lassen sich "richtige" Akkorde hinter den Powerchords vermuten. Da sich das westliche Ohr stark an die ionische und aeolische Tonleiter anlehnt, fallen diese Akkordvermutungen dem Normalo-Konsumenten sehr einfach. Wenns jetzt etwas komplexer wird... z.B. Musik von Sting, ist das nicht immer so einfach ;-)
Noch eine Kleinigkeit zu den 3-Klängen
Wir haben bis jetzt die Dur-, Moll- und Verminderten-Dreiklänge kennengelernt. Erinnert ihr euch... weiter oben? ... Noch weiter... Es ging um die Abstände: Grundton + Terz + Terz.
Code:
Ist der Abstand gr. Terz + kl. Terz => Dur
Ist der Abstand kl. Terz + gr. Terz => Moll
Ist der Abstand kl. Terz + kl. Terz => vermindert
Da fehlt doch was, oder?
Richtig... es gibt noch eine Terzschichtung, die bei den Kirchentonarten keine Rolle spielt, wohl aber in anderen Tonleitern. Es handelt sich um die sogenannten übermäßigen Dreiklang...
Code:
Ist der Abstand gr. Terz + gr. Terz => übermäßig
Ein total spannendes Ding... klingt oft geil...
Wer Fragen hat... fragen...