AndiBar
Godfather of Music
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RE: Spiegel Online - Wie der Pop zersplittert
Tolle Diskussionsgrundlage über den Zustand und den Wandel der Popmusik:
http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,151...41,00.html
Einleitung:
\"Als größtes Krisensymptom der aktuellen Popmusik gilt, dass sie schon so lange kein \"nächstes großes Ding\" hervorgebracht hat, dass es keinen Trend gibt, der länger als einen Sommer anhält, keine Stilrichtung, die sich über Jahre hinweg als produktiv erweist. Diese Diagnose führt aber ins Nichts, denn sie legt nicht offen, was ihre Kriterien sind. Wer sich genauer mit neuer Popmusik und ihren Entstehungsbedingungen beschäftigt, wird feststellen, dass es zuallererst die Kriterien und nicht die Musik sind, die in der Krise stecken.\"
Interessanter Blick. Ich hab zu einigen Punkten evtl. abweichende Meinungen, da bin ich mir noch nicht ganz sicher *g*
\"Ich möchte gerne sterben wie mein Großvater: Friedlich und im Schlaf und nicht in schreiender Panik wie sein Beifahrer\"
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22-09-2011, 11:01 |
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Oslo
Moderator
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Ganz abgesehen davon, dass ich mich sowieso nie wirklich mit Mainstream-Pop anfreunden konnte und werde...
An der beschriebenen \"Zersplitterung\" kann ich absolut nichts Negatives finden. Ist doch allgemein sehr erstrebenswert, wenn die im Radio gespielte Musik auch mal in die Tiefe geht, nicht mehr soviele Interpreten y den Stil von Interpret x kopieren etc. Sich darüber aufzuregen, wie die Kinder dann genannt werden ist imo eh lächerlich. Da soll sich die Musikindustrie beim Vermarkten ihrer Schubladen-Künstler (die Musikredaktionen bitteschön sowieso) eben etwas Besseres einfallen lassen, als ständig x mit y zu verknüpfen.
Zitat:Mehr denn je gilt heute, dass musikalisches Kennertum nicht allein das Durchdringen eines einzigen Genres bedeuten kann.
Zitat:Guter Musikgeschmack, das meinen nicht mehr nur kleine Kennerzirkel, gleicht heute einem Mosaik, dessen Qualität sich nur im gekonnten Arrangement seiner tausend Einzelteile erschließt.
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22-09-2011, 13:48 |
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AndiBar
Godfather of Music
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@Oslo und Eek
Ich sehe das nicht ganz so, zumindest nicht, wenn ich mal über \"musik ist was gefällt\", was ich für mich auch so annehme, hinausgehe.
Natürlich ist Musik was gefällt, aber die Kategorisierungen entstehen ja nicht zufällig in den Redaktionen. Viele Musikrichtungen stehen mit für eine bestimmte Szene und sind für diese auch stilbildend. Rocker mit Jeanskutten, Schwarze Gothic-Freunde, das kleine Indie-Mädchen, die Schlager-Omi, Raver, HipHop, all das sind nicht nur Musikrichtungen sondern Lebensstile (teils fast schon Lebensbekenntnisse), die weit über einen reinen Musikgeschmack hinausgehen.
Dass diese Szenen dann letztendlich auch ihre Sprachrohre in Fanzines und Genremagazinen haben ist völlig normal. Dass diese Magazine dann für Abgrenzungen und Kategorisierungen sorgen und der Szene damit einen musikalischen Rahmen und eine Definition geben ist folgerichtig.
Dieser Weg, Musik zu beschreiben und zu konsumieren ist halt durch die \"Zersplitterung des Pops\" wesentlich schwerer geworden, und genau das beschreibt die Autorin, und zwar zurecht. Wir hatten ja kürzlich sogar im Forum die Diskussion, dass sich ein Forumianer vor lauter sub-Genres so gar nicht mehr auskannte
Für mich ist das jedoch auch kein besonders großes Problem, ich habe einen gewissen akustischen Qualitätsanspruch, mit dem ich schon in den verschiedensten Bereichen fündig geworden bin. Elektro, HipHop, Klassik, Pop, dazu ein großes breites Spektrum innerhalb der (rockigen und akustischen) Gitarrenmusik. Ich bin also zufrieden
\"Ich möchte gerne sterben wie mein Großvater: Friedlich und im Schlaf und nicht in schreiender Panik wie sein Beifahrer\"
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23-09-2011, 13:45 |
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EeK
Administrator
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@andibar: also wie jetzt? wenn ich nen Gothic Song geil finde muss ich mich schwarz kleiden, oder muss ich, wenn ich zerrissene Jeans tragen möchte Grunge auf den iPod laden?
das mag ja alles sein, dass es Lebensstil-typische Musik gab und gibt, da stelle ich aber irgendwie die individualität des Einzelnen in Frage, der durch Ideologie seinen eigenen (Musik-)Kosmos beschränkt....um mal im \"Kenner\"-Jargon zu sprechen....
Man kann sich nicht nur über die Musik, die man hört, definieren und umgekehrt...
greez
EeK, der musikalisch nicht in Schubladen denkt aber weiß, dass Punker Crack, Rocker Herion und Raggae-Liebhaber Marihuana konsumieren
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23-09-2011, 20:46 |
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Pida
Fingerpicker
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Zitat: Original von AndiBar:Viele Musikrichtungen stehen mit für eine bestimmte Szene und sind für diese auch stilbildend. Rocker mit Jeanskutten, Schwarze Gothic-Freunde, das kleine Indie-Mädchen, die Schlager-Omi, Raver, HipHop, all das sind nicht nur Musikrichtungen sondern Lebensstile (teils fast schon Lebensbekenntnisse), die weit über einen reinen Musikgeschmack hinausgehen.
Völlig richtig. Andererseits gibts all diese Szenen (für mich ist übrigens nichts davon Pop ;-) schon seit über 20 Jahren, daher wundern mich auch Passagen wie diese:
Zitat:aus dem SPIEGELWir mögen uns vielleicht nach dem nächsten großen Ding sehnen, dem Hype, der alle wegfegt, der Platte, die alle kaufen, der Band, die alle live sehen wollen.
Die Autorin ist Jahrgang 1977 und damit ein paar Jahre älter als ich. Was sie da schreibt, ist mir aber fremd. Die Zersplitterung vollzieht sich doch spätestens, seit sich Plattenspieler verbreiteten und man selbst aussuchen konnte, ob man sich das nächste Stones- oder lieber das Beatlesalbum zulegt. So einen Hype habe ich nicht annähernd erlebt.
Das finde ich auch völlig normal und anders kaum denkbar. Alle möglichen Medien können immer leichter hergestellt, bezogen und genutzt werden. Ich fände es seltsam, wenn angesichts der verfügbaren Vielfalt ein jüngeres Computerspiel so einschlagen würde wie Tetris, ein Mann mit Gitarre so wie Elvis Presley oder ein Maler so wie Andy Warhol.
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23-09-2011, 23:24 |
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AndiBar
Godfather of Music
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@eek und Pida
Ich bin ja völlig bei euch. Auch ich habe für Musik lediglich einen gewissen Qualitätsanspruch, den ich in ganz vielen Genres befriedigt finde.
@eek
Nur wirst du zugeben müssen, dass es eben diese durchaus treuen und festen Szenezugehörigen gibt. Mit einem der besagten \"kleinen Indiemädchen\" hab ich z.B. in meinem Praktikum in einer WG gewohnt. Da bist du mit nichts anderem durchgekommen, egal wie gut. Wenns nicht irgendwie britisch-modern-alternative war rümpfte sie die Nase. Ist bedauerlich, was die Leute verpassen, aber genau das ist die Zielgruppe, für die die Mags schreiben
@Pida
Naja, zumindest konntest (manche mussten ) du dich zwischen den Beatles und den Stones, und damit einer gewissen anderen Interpretation der Musik entscheiden. Die haben ihr DIng gemacht und sind dabei geblieben. Veränderungen gabs da vielleicht ein paar im Laufe einer Bandhistorie, aber wenn du dich heute für Lady GaGa entscheidest, dem derzeit größten Popding, haut sie dir in einem Monat Eurodance-Revival-Mucke im nächsten dann Countrykläng auf die Ohren. Ganz wilder Mix.
Ich fand den Artikel eigentlich auch gerade deshalb interessant, dass er den (zugegeben recht offensichtlichen) Zustand ganz gut festgehalten hat und dann als Botschaft bringt: \"Ist doch nicht schlimm, begreifts als Chance, Musik ist Vielfalt und VIelfalt ist geil\"
\"Ich möchte gerne sterben wie mein Großvater: Friedlich und im Schlaf und nicht in schreiender Panik wie sein Beifahrer\"
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24-09-2011, 01:04 |
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