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Normale Version: Gitarre einspielen
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Viele werden es kennen oder wissen: Instrumente wie Gitarren entwickeln ihren Klang erst nach einer gewissen Einspielzeit. Dabei ist es wichtig, das Instrument möglichst oft in die Hand zu nehmen und in allen Lagen ausgiebig zu bespielen. Ich selbst habe diesen Vorher-Nachher Effekt schon bei vielen eigenen Instrumenten bemerkt. Irgendetwas passiert durch das Einspielen, was genau kann ich aber nicht sagen. Dem einen oder anderen wird ähnliches aufgefallen sein. Gute Instrumente werden besser, mäßige Instrumente verbessern sich ebenfalls.

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich nun mit der Theorie der Entdämpfung von Musikinstrumenten. Es gibt sogar jemanden, der das Entdämpfen für den geneigten Musiker übernimmt, das kostet so um die 700 Euros. Emil Weiss heißt der Knabe. Der geht hin und montiert bei einer Gitarre etwas am Steg, ein kleiner Motor mit auswechselbaren Exzentermassen und Drehzahlen sorgt für die Bewegung des Steges. Wenn man den einen oder anderen Bericht liest, dann würde man gerne die 700 Euros auf den Tisch legen... wenn das Resultat stimmt. Das lohnt sich alles aber nur für die entsprechende Klientel. Es soll auch Gitarristen geben, die stellen ihre neuen (oder reparierten) Instrumente in einen Raum mit Lautsprechern und lassen erst mal Tagelang Rockmucke laufen, damit die Gitarre entdämpft wird. Es gibt auch die eine oder andere Abhandlung zu diesem Thema im Internett. Vieles davon ist sehr wissenschaftlich.

Nun hat sich der FP mal gedacht... Motor, Excenter, Gewichte, Drehzahlen... alles zu kompliziert. Tagelang ne Gitti mit richtig Krach zu beschallen, da fehlen die Räumlichkeiten. Es muss ja auch anders gehen. So kam ich zu dem Schluss, es einmal mit direkt gekoppelter Mucke zu machen. Zu diesem Zweck habe ich mir 2 Körperschallwandler (Lautsprecher ohne klassische Membran) und einen Mini-Stereoamp bei ebay geschossen. Materialkosten zusammen keine 70 Euros. Auf die Körperschallwandler habe ich eine 1 mm starke Silikonmatte geklebt und damit rutschfest gemacht. Dann wurden noch 2 dicke Unterlegscheiben auf die Wandler geklebt, damit das Auflagegewicht steigt. Soviel zur Technik.

Kürzlich habe ich eine Hagstrom Gitarre erworben. Es handelt sich um eine Viking Deluxe Tremar , quasi eine ES335 mit Bigsby. Die Gitti habe ich für mein Vorhaben so plaziert, dass sie mit den rückseitigen Kanten sicher aufliegt und der Gitarrenboden noch schwingen kann. Die modifizierten Körperschallwandler habe ich in der Nähe des Steges aufgelegt, MP3 Player angeschlossen und nun wird diese Gitti seit Donnerstag abend permanent berieselt.

Zwischendurch begebe ich mich mal in den Raum, prüfe nach ob die Wandler noch an ihrer Stelle liegen und wundere mich immer wieder, dass aus den Dingern ein recht guter Klang herauskommt... natürlich in Kombination mit der Gitarre in ihrer Eigenschaft als Membran^^. Gestern, nach knapp 3 Tagen Einspielzeit fiel mir auf, dass der Klang insgesamt leicht mittiger und lauter geworden ist. Da hab ich die Gitti mal für eine halbe Stunde am Amp getestet und ich war doch sehr überrascht: Die Gitti klang ausgeglichener und lauter als zuvor, sowohl akustisch wie auch am Amp. Die 3 leichten, zuvor vorhandenen Deadspots waren nicht mehr existent. Das Sustain hat sich merklich verbessert. Jetzt werde ich das Spielchen mal ein paar Tage weiterlaufen lassen...

In der Tat bin ich erstaunt. Das bisherige Ergebnis übertrifft meine Erwartungen. Die Musikauswahl bestehend aus AC/DC, Hendrix, SRV, Johnny Winter, Shadows und George Benson scheint glücklich gewählt zu sein.

Ach ja... es gibt soetwas auch fertig zu kaufen. Das wusste ich leider vorher nicht, sonst hätte ich mir wahrscheinlich die Löterei und das Basteln erspart. PrimeVibe heißt das System.

Bilder folgen... bin ja zur Zeit leider kameralos. Werde dann auch mal über den nächsten Step berichten.
Hiho,
ist ja fein, dass das so funktioniert.
Ich bin in dem Berreich eher Noob, deshalb hab ich noch eine ergänzende Frage:
Wenn die Gitti so eingespielt ist und dann über mehrere Wochen nicht gespielt wird, bildet sich der Effekt dann wieder zurück oder ist die Behandlung dauerhaft wirksam?

Gruß
@AndyTheke

frag doch mal jemanden der sich damit auskennt


http://www.kristalkugel.de/
Zitat: Original von AndyTheke:
Hiho,
ist ja fein, dass das so funktioniert.
Ich bin in dem Berreich eher Noob, deshalb hab ich noch eine ergänzende Frage:
Wenn die Gitti so eingespielt ist und dann über mehrere Wochen nicht gespielt wird, bildet sich der Effekt dann wieder zurück oder ist die Behandlung dauerhaft wirksam?

Gruß
Nach der kurzen Zeit habe ich noch keine Erkenntnisse darüber sammeln können. Laut Herrn Weiss soll diese \"Mutation\" allerdings permanent sein. Ein wenig zweifle ich allerdings an dieser These. Die Erfahrung wirds zeigen.

In jedem Fall bin ich auf das Endergebnis gespannt. Als nächstes werde ich dann mal eine Steelstring oder eine Konzertgitti mit entsprechender Mucke maltretieren. Dort müsste das Ergebnis noch hörbarer sein (Annahme!).

Zitat: Original von Searcher:

@AndyTheke

frag doch mal jemanden der sich damit auskennt


http://www.kristalkugel.de/
Natürlich war ich auch spektisch. In anderen Foren wurde das Thema ja auch schon heiß diskutiert. Allerdings versuche ich das Thema mit einem Test, den ich ja nun quasi durchführe, für mich persönlich einmal nachzuvollziehen und das Ganze nicht gleich als Humbug zu verwerfen. Auch denke ich, dass sich ein Instrument nach und nach auch auf den Spieler einstellt, soll heißen, das Instrument gibt nur das wieder, was der Spieler in der Lage ist zu geben. Im Prinzip die Gestaltung eines guten Tons durch guten Anschlag, gutes Vibrato usw.
Sehr interessant.
Was ich auf jedenfall gemerkt habe ist, dass ich das Gefühl habe, dass sich die Gitarre irgendwann auf mich einstellt. Ob das eine reine vertrautheit ist, oder nicht. Keine Ahnung.
Ich habe schon öfter baugleiche Gitarren Gitarren mit meinen verglichen und die fühlen sich \"fremd\" an. Dass der Klang ein anderer ist kann ja in der gleichen Baureihe durchaus vorkommen.
Zitat:Original von Heavy_Malte:
Sehr interessant.
Mmmmh... also ehrlich gesagt schwanke ich zwischen \"interessant\" und dem Gefühl, dass uns der FP hier einen großen Bären aufbinden möchte (bzw. diejenigen, die solche Geräte oder Anwendung für so richtig viereckiges Geld anbieten...).

Und die Phrase \"wissenschaftlich erwiesen\" lässt mich fast so zweifeln, wie das Totschlag-Argument \"amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass...\". Ich werde hier jedenfalls weiter aufmerksam-skeptisch mitlesen!

P.S.: Mit dieser Musik von Dir beschallt, FP, würde wohl auch ein Backstein irgendwann einen sauberen und gefühlvollen Akkord von sich geben. Thumbs
Dieses Einschwingen der Decke ist durchaus erwiesen. Fichte wird duch Spielen eingespielt. Das kann man beschleunigen durch solchene Konzeptionen, wie der FP gerade im Selbstversuch durchaus glaubwürdig und sehr interessant beschreibt.
Werde gern weiterlesen....
Zitat:Mmmmh... also ehrlich gesagt schwanke ich zwischen \"interessant\" und dem Gefühl, dass uns der FP hier einen großen Bären aufbinden möchte (bzw. diejenigen, die solche Geräte oder Anwendung für so richtig viereckiges Geld anbieten...).

Und die Phrase \"wissenschaftlich erwiesen\" lässt mich fast so zweifeln, wie das Totschlag-Argument \"amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass...\". Ich werde hier jedenfalls weiter aufmerksam-skeptisch mitlesen!

P.S.: Mit dieser Musik von Dir beschallt, FP, würde wohl auch ein Backstein irgendwann einen sauberen und gefühlvollen Akkord von sich geben.
narürlich funktioniert das. das ist aber nix neues...
aus diesem grunde gibt es den \"vintage\"-hype, der oft falsch verstanden wird: nicht alt= geil, sondern alt und stetig gespielt= (meistens) geil. aus scheiße macht man auch durch einspielen kein gold...

lakewood verfolgt dieses konzept bei ihrer signature-reihe . die gitarren werden von ulli bögershausen mehrere wochen lang eingespielt.
Interessantes Thema. Ich meine hier vor langer Zeit schon einmal etwas darüber gelesen zu haben.

Gibt es denn Richtwerte, wann eine \"handgespielte\" Gitarre sich eingeschwungen hat?
Dann könnte ich meine nunmehr fast 8 Jahre alte Harley Benton SG Kopie für teuer Geld als vintage™ (ink. Macken), handbearbeitet™ harmonisiert™ verkaufen Smokin

Wobei ich wirklich sagen muss, der Hals ist zwar vom Spielgefühl im Vergleich zu meiner Ibanez ein Baumstamm, aber ich mag meine HB sehr. Darum geb ich sie auch nicht her.
Hallo,

hier mal ein Link zu ALT gegen NEU, sind zwar keine Gitarren, kosten aber wenn sie alt sind mehr.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/techn...48,00.html
Hi,

ich habe mal Rücksprache mit Fr. Traudt genommen und sie meint: Um die Gitarre einzuspielen würde sie persönlich kein Gerät kaufen oder sonst wie Geld dafür ausgeben.
Dito hat sich David Qualey geäußert, er sagt man sollte seine Gitarre langsam kennen lernen und nicht mit Gewalt zum Schwingen bringen.
In der Ruhe liegt die Kraft.
Bei Akustikgitarren und dann bevorzugt bei solchen Instrumenten, deren Decke aus massivem Fichtenholz besteht, kann ich das Phänomen absolut bestätigen. Mir gefällts irrsinnig gut, wenn der Klang einer Gitarre langsam heranreift.

Ich wusste nicht, dass Lakewood seine Signature-Modelle von Uli Bögershausen einspielen lässt. Dabei vermute ich aber, dass der Einspielzeitraum von wenigen Wochen bei den Instrumenten erst einen Bruchteil des Klangpotenzials freilegt.

Klar kann ich ein Instrument künstlich einspielen, Yamaha hat das z.B. schon vor Jahrzehnten mit seinen Klavieren und Flügeln gemacht. Nach der Fertigstellung wurde jede Taste an die 100.000 Mal von einer Maschine angeschlagen, damit der Klang des Instruments beim Kunden dann schon fertig entwickelt ist.

Eine Marke verschafft sich so einen Marketingvorteil, weil eingespielte Instrumente besser klingen als solche, die noch nicht eingespielt wurden. Das merkt der Kunde, der das Instrument im Geschäft auf Probe anspielt, und wird sich eher für das eingespielte Instrument entscheiden.

Andererseits bilde ich mir ein, dass ich anhand des Klanges und des Spielgefühls einer noch nicht eingespielten Gitarre schon ahnen kann, wieviel Potenzial noch in ihr steckt. Während der Einspielfase gewöhne ich mich dann an die neue Gitarre und deren Klang entwickelt sich mit mir. Außerdem denke ich, dass die Klangentwicklung stark von der Spielweise des Besitzers geprägt wird. Somit kann der Klang eines neuen Instruments sich je nach Besitzer unterschiedlich entwickeln. Auf diesen Prozess des \"Zusammenwachsens\" verzichte ich nur ungern.

Interessant ist der Ansatz dennoch, ein 1:1 Vergleich vorher : nachher interessiert mich!

Gruß,
@eifel
No fake, its real. Hab dich auch lieb^^

@Ritzel
Vllt. habe ich den Fred-Titel etwas falsch gewählt. Es geht mir ja nicht um das individuelle Einspielen, dass muss der Gitarrist schon selbst übernehmen. Das eigene Vibrato und den eigenen Anschlag auf einem bestimmten Instrument kann kein MP3 File oder Tongenerator liefern. Primär geht es mir erst einmal darum den theoretischen Ansatz in der Praxis umzusetzen um mir ein eigenes Bild zu machen. Zum Thema Gewalt: Die von mir angewandte Methode dürfte in jedem Fall schonender als die Methode des Herrn Weiss (Motor, Excenter...) sein.

@ghetto
Eine Vorher-Aufnahme habe ich nicht. Es ist auch anzunehmen, dass der Effekt bei rein akustischen Gitarren noch prägnanter sein wird. Vor der nächsten Maltretierung^^ (Sanchis Konzertgitarre, sehr selten gespielt bisher... obwohl... wie wirkt sich das ggf. auf eine Geige aus :look: , hmmm... ) werde ich aber von einer ausgezeichneten Konzertgitarristin ein Stück einspielen lassen und nach der Behandlung das ganze nochmal... ohne FX und doppelten Boden.

@all
Status Quo: Die Hagstrom hat noch etwas an Ansprache hinzugewonnen. Seit gestern abend wird nun permanent Mucke von Pat Metheny und Joe Pass auf die Wandler gegeben... mal sehen ob es noch etwas mehr bringt. Bis Sonntag lass ich das dann laufen. Vllt. gibbet auch noch ein paar Bildchen vom Testaufbau... aber dazu muss ich erst mal eine Cam organisieren.

Update: Grade (24.01.12, h21:00) noch mal getestet... erwähnte ich schon, dass sich das Sustain merklich und in allen Lagen verbessert hat? Thumbs Das Teil wird i.Ü. jetzt seit 4 Tagen dauerbeschallt...
nach längeren lesen, auch in anderen Foren, habe ich jetzt folgende Meinung:

Das einspielen ist dem Holz völlig egal. Das Holz sollte vor der Verarbeitung jahrelang abgelagert sein. Die Feuchtigkeit, die Struktur des Harzes, das Holz sollte stabil und ausgereift sein.

Was soll sich an dem Holz noch ändern ?


Was sich ändern kann:

Die Gitarre ist, wenn sie relativ neu zusammengebaut wurde und nicht jahrelang irgendwo gelagert wurde, \"frisch\".

Decke, Boden, etc. wurden meist erst \"vor kurzen\" zusammen gefügt. Die ganze Konstruktion kann je nach Hersteller, Konstrukteur, Holzsorte, etc. Verspannungen innerhalb der Gitarre haben und solange die Gitarre noch frisch ist, kann sich die Konstruktion noch einschwingen.

Wenn so eine Gitarre jahrelang irgendwo stand, nicht gespielt wurde, dann hat sich die Konstruktion \"gesetzt\" (Leim völlig ausgehärtet, die Spannungen des Zusammenbaues haben sich stabilisiert) und kann nicht mehr eingespielt werden.

Meine Zusammenfassung:
Je nachdem wie gut eine Gitarre konstruiert und gebaut wurde, wie das Material in die Konstruktion passt (nicht jeder Baum ist gleich, nicht jede Holzdecke, Boden ist gleich dick etc.), wie \"frisch\" die Gitarre zusammen gebaut wurde kann sich die Gitarre durch einschwingen entspannen.

Das könnte ich glauben ...
Ohne das Phänomen physikalisch erklären zu wollen habe ich da eine andere Erfahrung gemacht...

Im Jahre 2004 habe ich von einem damals-schon-Forumsmoderator eine gebrauchte Konzertgitarre gekauft. Für ihn wars eine Lerngitarre, weil er aber fast nur E-Gitarre gespielt hat lag sie bei ihm in der Ecke und verstaubte. Er hatte sie damals seit 3 Jahren bei sich, sie wurde jedoch nur sehr wenig gespielt.

Am Anfang hat mich die Gitarre mehr oder weniger überzeugt. Für Solostücke klang sie ganz gut, zum Begleiten war der Klang aber viel zu dünn.

Im Laufe der Zeit hat sich der Klang weiterentwickelt, die Gitarre hat sich eingeschwungen. Solostücke klingen noch toller als damals schon und auch zum Begleiten ist mittlerweile genug \"Wumm\" vorhanden. Die Gitarre hat heute deutlich mehr Kraft und Sustain als damals, als sie auch schon 3 Jahre lang herumgestanden war.

Diese Konzertgitarre made in Spain (mit massiver Fichtendecke) hat sich also eingeschwungen. Bei einer anderen Konzertgitarre made in Spain (mit massiver Zederndecke), die ich wenige Jahre zuvor neu gekauft hatte, hat sich der Klang hingegen gar nicht mehr entwickelt. Die klingt heute noch so, wie sie damals beim 1. Anspielen im Geschäft geklungen hat. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass es das Holz ist, das sich einschwingt.

Gruß,
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